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Das Spiel mit der Angst: Inspektionskosten für Autos

  • Autorenbild: Tobias Volk
    Tobias Volk
  • 11. März
  • 7 Min. Lesezeit

Inspektion fällig – und das eine Woche nach dem TÜV. Da fragt man sich schon, warum man hier nochmal Geld und Zeit rausblasen soll. Ich habe mich dieses Mal mit meinem fünfjährigen e-Golf, einem Golf 7, etwas intensiver mit dem Thema auseinandergesetzt. Die Ergebnisse: ernüchternd! Was da gemacht wird kann man kaum in Worte fassen. Wenn ihr wissen wollt, was Wartungslisten, TÜV-Protokolle und Garantiebedingungen zum Vorschein gebracht haben, dann seid ihr hier genau richtig. Hier im Text und im Video auf meinem YouTube-Kanal PV&E findet ihr alles, was wichtig ist zu diesem Thema.

YouTube Video zu Inspektionskosten

350 EUR kostet eine große Inspektion beim e-Golf. Echter Preis hier in Frankfurt. Den Inspektionsspaß habe ich mir vor zwei Jahren gegönnt. Aber Halt: war da nicht das Versprechen, bei Elektroautos gäbe es weniger bewegliche Teile, damit weniger Verschleiß und im Rahmen einer Inspektion nicht mehr viel zu tun? Fehlanzeige. Die Anzeige meines nun fünf Jahre jungen Golf 7 fordert mich nun schon wieder zur Inspektion in die Werkstatt. Inspektion fällig – und zwar jetzt. Beim Neuwagen wird man als stolzer Fahrzeugbesitzer immer mit dem drohenden Wegfall der Garantie zur Inspektion genötigt. In der Vertragswerkstatt, nach Herstellervorgaben in der freien Werkstatt - wer weiß das schon. Im Zweifel geht man zum Vertragshändler und zahlt gerade in Ballungsräumen die abartig hohen Kosten für reine Sichtprüfungen. Aber was wird bei der Inspektion wirklich gemacht? Und was ist eigentlich der Unterschied zu dem, was sowieso alle zwei Jahre beim TÜV gemacht wird? Wie sieht es mit Garantiebedingungen, Kulanzregelungen und bei Elektroautos ganz wichtig: der Zusatzgarantie auf die Hochvoltbatterie aus? Das schauen wir uns jetzt mal genauer an.


Preis und Leistung

Mich kostet die Terminvereinbarung mit dem VW Service knappe 15 Minuten. Formular ausfüllen, Fahrzeugpapiere rauskramen und FIN eintragen, Termin aussuchen. Anfahrt, Wartezeit, Rückfahrt summieren sich auf ca. eine Stunde. Am Abend nochmal das Gleiche mit Anfahrt, Abholung, Rückfahrt nach Hause. Insgesamt also 2:15 Lebenszeit, die ich persönlich in die Inspektion investiere. Hinzukommend 350 EUR, die von der VW Werkstatt berechnet werden. Was wird gemacht? Das habe ich ausführlich im Video zur zweiten Inspektion bei meinem e-Golf dokumentiert. In Kürze: sehr viele Sichtprüfungen, kaum Funktionsprüfungen. Es wird kontrolliert, ob die Lichter alle funktionieren. Ganz wichtig und ein eigener Prüfpunkt: auch im Handschuhfach! Funktionsprüfung der Hupe, der Scheibenwischer, Profil der Reifen. Nichts, was man als normaler Mensch nicht selbst im Blick hätte. Für euch zur Info hänge ich hier nochmal die Wartungslisten mit in den Blog:

Als Elektroautofahrer hat man die Hoffnung, dass zumindest die Hochvoltkomponenten mal so richtig auf Herz und Nieren geprüft werden. Bei 350 EUR könnte man ja schonmal eine Einzelprüfung auf Zellebene erwarten.

Die Realität:

1. Prüfpunkt: Ladekabel – Vorhandensein und Zustand visuell prüfen,

2. Prüfpunkt: Hochvolt-Batterie-Ladezustand: Prüfen, ggf. Laden (nur auf Kundenwunsch) – „prüfen“ heißt hier Auto anschalten, feststellen, dass Akku zu 50% voll ist, wieder ausmachen. Fertig.

3. Prüfpunkt: Hochvolt-Ladesteckdose im Tankdeckel: Sichtprüfung auf Verunreinigung und Beschädigung durchführen.

4.Prüfpunkt: Warnaufkleber auf Vorhandensein prüfen (gemeint sind insbesondere die Hochvolt Warnaufkleber),

5. Prüfpunkt: 12V-Batterie – mit Fahrzeugdiagnosetester Ladezustand (SOC) ermitteln und Batterie prüfen,

6. Prüfpunkt: Sichtprüfung der Hochvoltkomponenten und -leitungen.

Das wars. Keine SoH-Bestimmung, keine Ermittlung des Zelldrifts, keine Innenwiderstandsmessung, keine Kapazitätsmessung, keine frühzeitige Identifikation von schwächeren Zellen. Gar nichts. Traurig. Wer wissen will, wie es um die Hochvoltbatterie bestellt ist, der kann mittels CarScanner-App und einem geeigneten OBD2-Dongel*einige Werte selbst auslesen.


Zusätzlich könnt ihr bei VW eine Bestimmung des SoH durchführen lassen. Ist aber nicht ganz billig. Ich habe es dennoch vor zwei Jahren mal machen lassen und das Ergebnis und die Kosten in einem Video dokumentiert. Wer es wirklich wissen will, der greift zum Angebot des Marktführers Aviloo und bekommt nach einem ordentlichen, ausführlichen Test eines kompletten Entladezyklus im realen Fahrbetrieb ein aussagekräftiges Zertifikat, welches auch beim Verkauf von Elektroautos mittlerweile zum Standard gehört. Hier findet ihr einen Link zum Testangebot von Aviloo*.

Fazit: Inspektion kostet 350 EUR und 2:15 Zeit. Das Auto ist für einen Tag nicht nutzbar und der Erkenntnisgewinn ist sehr gering.

Das Einzige, was im Rahmen einer Inspektion mit gemacht wird, ist Pollenfilterwechsel und Bremsflüssigkeitswechsel. Pollenfilterwechsel könnt ihr problemlos selbst machen. Wie das geht, habe ich in meinem Video zur Selbstwartung eines Autos gezeigt. Lediglich Bremsflüssigkeitswechsel solltet ihr dem Profi überlassen. Alle drei Jahre in der freien Werkstatt den Siedepunkt bestimmen lassen und bei Bedarf wechseln lassen. Das reicht. Auch dem TÜV.

Darüber hinaus ist bei Verbrennern der regelmäßige Ölwechsel und Getriebeölwechsel Pflicht. Aber das habe ich zuletzt immer in einer freien Werkstatt machen lassen. 


Unterschied zum TÜV

Im Rahmen der Hauptuntersuchung (landläufig „TÜV“ genannt) wird nicht die gesamte Wartungsliste geprüft, die laut Herstellervorgaben im Rahmen einer Inspektion erledigt werden muss. Aber der TÜV ist gründlicher bei sicherheitsrelevanten Dingen. Es wird beispielsweise ein Bremstest mit echten Messwerten durchgeführt und auf einer Rüttelplatte auf der Hebebühne werden die Querlenker und Traggelenke geprüft. Die Hochvoltkomponenten werden auch beim TÜV nur in Augenschein genommen, ausgelesen oder technisch überprüft wird da nichts. Der TÜV betreibt zwar derzeit Lobbyarbeit, um hier zukünftig vertiefte Untersuchungen durchführen zu können – ich halte das aber für unnötig. Das Einzige, was hier sicherheitsrelevant sein könnte, ist, wie weit der Akkublock von einem Kurzschluss entfernt ist. Für die Interessierten unter euch: wie lang die Dentriden schon gewachsen sind. Aber das kann auch der TÜV nicht feststellen.

Mir hat der TÜV in der letzten Woche ein lupenreines Zeugnis ausgestellt. Keine Beanstandung, keine Hinweise. Meinen Verbandkasten hatte ich noch am Vortag erneuert, der läuft nämlich regelmäßig nach fünf Jahren ab, weil dann nicht mehr gewährleistet werden kann, dass noch alles steril ist. Für mich gab es also keinen Grund, direkt nach dem positiven Bescheid vom TÜV auch noch eine Inspektion in der Vertragswerkstatt machen zu lassen… außer vielleicht wegen der Garantie auf den Hochvoltakku? Das schauen wir uns jetzt mal an.

 

Garantie, Kulanz und Sondergarantie Hochvoltbatterie

Das Damoklesschwert jedes Neuwagenkäufers und der Grund, warum in den ersten Jahren alle Käufer ihre Autos brav in die Vertragswerkstätten bringen. Aber warum eigentlich? Dazu schauen wir mal in die Garantiebedingungen, hier am Beispiel von VW und meinem e-Golf aus dem Jahr 2020. Im März 2020, dem Kaufmonat meines e-Golfs, gab es noch eine separat von der allgemeinen Volkswagen Garantie ausgesprochene Garantie für Hochvoltbatterien für BEV und PHEV-Fahrzeuge. Wichtig für die Plug-in Fahrer unter euch: Seit Juli 2020 gibt es für Plug-ins keine Netto-Batterieenergieinhaltsgarantie mehr! Die gilt seit Juli 2020 nur noch für BEV-Fahrzeuge.

BEV und PHEV Garantie der VW AG (Stand: Mai 2019)
BEV und PHEV Garantie der VW AG (Stand: Mai 2019)

Aber eins nach dem Anderen. Zunächst mal die „normale“ zweijährige Garantie durch VW. Wichtig für uns hier ist die Ziffer 4 „Voraussetzungen für den Garantieanspruch“. Dort heißt es: „Ein Anspruch aus der Garantie besteht nur dann, wenn während der Laufzeit der Garantie alle Serviceintervallarbeiten gemäß dem Bordbuch oder der Service-Intervallanzeige im digitalen Kombiinstrument nach den Vorgaben des Garantiegebers durchgeführt werden. Andernfalls wird der Garantiegeber von seinen Verpflichtungen aus dieser Garantie befreit. Letzteres gilt nur dann nicht, wenn der Kunde nachweist, dass eine Nichtbeachtung dieser Vorgaben den Garantiefall nicht verursacht hat.“


Neuwagengarantie der VW AG (Stand: 07/2020)
Neuwagengarantie der VW AG (Stand: 07/2020)

Also ganz klar: Vertragswerkstatt muss nicht sein, „nach den Vorgaben des Garantiegebers“ genügt. Aber: Gerade die mechanischen Beanspruchungen, Spiel der Querlenker, also die klassischen Garantiethemen, werden im Rahmen einer Inspektion geprüft. Hier lohnt es sich in den ersten Jahren definitiv, auf Nummer sicher zu gehen und Inspektionen durchführen zu lassen. Theoretisch in jeder freien Werkstatt, die nach den Vorgaben des Herstellers prüft, praktisch spricht in meinen Augen jedoch ein gewichtiger Punkt dagegen. Nämlich: die Kulanz.

Nach dem 2. Jahr seid ihr bei VW nämlich raus aus der Garantie. Aber: sofern ihr Inspektionen und Service immer schön beim Vertragshändler durchgeführt habt, ist VW im Regelfall auch kulant und beteiligt sich an Reparaturen, die auf einem Mangel in Werkstoff oder Werkarbeit beruhen. Habt ihr keine Inspektionen durchführen lassen oder habt diese nicht beim Vertragshändler gemacht: Pech gehabt. Bei der defekten Wasserpumpe ist das vielleicht noch verschmerzbar, beim DSG-Getriebeschaden ist sowas der Supergau.

Genau deshalb mache ich in den ersten fünf Jahren alle Inspektionen und den Service in der Vertragswerkstatt. Das ist nicht billig – ich erkaufe mir damit aber in den ersten zwei Jahren die Garantie und in den drei Folgejahren die Kulanzregelung. Wichtig zu wissen: Auf Kulanz hat man keinen Anspruch, das ist eine freiwillige Leistung des Herstellers. Bei meinem e-Golf war nach zwei Jahren die erste Inspektion (die Kleine) fällig, ein Jahr später schon die Große. Beide Inspektionen habe ich in der Vertragswerkstatt gemacht. Jetzt ist der e-Golf Fünf geworden und möchte wieder eine kleine Inspektion. Aber diesmal nicht mit mir, denn mit Jahr Fünf ist auch die Kulanzregelung bei VW beendet. Eine erneute Inspektion beim Vertragshändler bringt da keine Vorteile mehr.

Aber die Hochvoltbatterie! Das teuerste Bauteil an einem Elektroauto. Hierauf gibt VW doch acht Jahre Garantie. Die verfällt doch, wenn man keine Inspektionen mehr macht, oder? Dann schauen wir mal in die Garantiebedingungen.

In Ziffer 1 der Garantiebedingungen für Hochvoltbatterien für BEV und PHEV-Fahrzeuge mit dem Stand Mai 2019 heißt es: „Ergänzend zur Volkswagen Garantie übernimmt die Volkswagen AG für die Hochvoltbatterie von Neufahrzeugen hinsichtlich aller Mängel in Werkstoff oder Werkarbeit eine Garantie für 8 Jahre bzw. 160.000km, je nachdem, welches der beiden Ereignisse zuerst eintritt.“

Und in Ziffer 2: „Eine Verringerung der Batteriekapazität über die Zeit ist bauteilbedingt und stellt keinen Mangel im Sinne dieser Garantie dar, sofern dieser Wert vor Ablauf der 8 Jahre oder 160.000km, je nachdem, welches der beiden Ereignisse zuerst eintritt, nicht 70% der nutzbaren Kapazität unterschreitet.“

Also 8 Jahre oder 160.000km auf Mangelfreiheit und zusätzlich eine Kapazitätsgarantie in Höhe von 70%. Dafür gelten aber nach Ziffer 4 „alle Bestimmungen zur Volkswagen Garantie“. Das bedeutet auch dessen ominöse Ziffer 4, die ja vorschreibt, dass „während der Laufzeit der Garantie alle Serviceintervallarbeiten gemäß dem Bordbuch oder der Service-Intervallanzeige im digitalen Kombiinstrument nach den Vorgaben des Garantiegebers durchgeführt werden.“ Aber, wie so oft, das Wichtigste kommt zum Schluss. Im letzten Satz heißt es nämlich: „Letzteres [gemeint ist die Befreiung von Garantieleistungen] gilt nur dann nicht, wenn der Kunde nachweist, dass eine Nichtbeachtung dieser Vorgaben den Garantiefall nicht verursacht hat.“ Und da kommt unsere Wartungsliste wieder ins Spiel, die wir uns zu Beginn des Beitrags angeschaut haben. Wir haben gesehen, im Hinblick auf die HV-Batterie wird nur geguckt – aber nichts gemacht. Falls also der Mangel nicht auf einen verschmutzten Ladeport, ein äußerlich beschädigtes Ladekabel oder einem erkennbar beschädigten Unterbodenschutz zurückzuführen ist – dann habt ihr auch einen Garantieanspruch gegen VW, wenn ihr keine Inspektionen durchgeführt habt. Denn nur das ist Gegenstand der Inspektion.

Ich persönlich habe deshalb mit Inspektionen abgeschlossen. Mein Auto sieht von nun an keine Vertragswerkstatt und auch keine freie Werkstatt mehr für Inspektionen. Bremsflüssigkeitswechsel: natürlich. Pollenfilter, Wischwasser und Wischblätter: wechsle ich selbst. Alle zwei Jahre checkt der TÜV den Rest. Von den gesparten 350 EUR kaufe ich mir einen Erweiterungsakku für mein Balkonkraftwerk. Das ist dann eine echte Investition und kein rausgeschmissenes Geld.

Achso: und ganz zum Schluss noch eine Sache: Weder der TÜV, noch die Wartung oder die Inspektion kümmert sich um eine wichtige Kleinigkeit: eure Klimaanlage. Hier geht es um eure Gesundheit. Deshalb solltet ihr die Klimaanlage regelmäßig reinigen lassen – oder es selbst machen. Ich habe das im letzten Jahr selbst ausprobiert und habe dazu ein Video veröffentlicht. Wir sehen uns wieder hier im Blog - oder auf YouTube PV&E.

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